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Mehr Umwelt im Sport

 

…oder mehr sportliche Umwelt?

Umwelt ist ein Begriff, der sich in den letzten Jahrzehnten in unseren Breitengraden als wichtiges Thema etabliert hat, um die Lebensfähigkeit der Menschen, aber vor allem der Natur zu gewährleisten. Dabei steht allem voran der Schutz, der mit Umwelt verbunden wird, im Vordergrund. Ganz allgemein sprechen wir in ihrer Bedeutung von einer beeinflussenden Umgebung, welche auf ein Lebewesen bzw. dessen Lebensbedingungen einwirkt oder von Menschen in jemandes Umgebung, die zueinander in Wechselbeziehung stehen. (Duden 2018). Es lässt sich feststellen, dass wir doch ein wenig Bewusstsein für das Thema entwickelt haben, da Klimawandel und dessen Auswirkungen auf das globale Ökosystem zunehmend vor Augen führen, was es heisst, wenn die Natur als Grundlage unseres (Über)lebens nicht mehr ausreichend Ressourcen zur Verfügung stellen kann. Einer Befragung zufolge schätzen über 80% der Österreicher*innen die Umweltqualität gut ein, wobei die Kategorien Trinkwasserqualität, Wasserqualität der Seen und Flüsse, Verfügbarkeit hochwertiger Lebensmittel und Grünraum von den ÖsterreicherInnen zu über 90% als gut beurteilt werden. (Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus 2018) Somit zumindest in Österreich alles im „Grünen“ Bereich, auch wenn hier nicht bewertet wird, was wir für die Natur tun können bzw. getan haben, sondern wie wir die Qualität unserer Umwelt einschätzen (als wäre sie von unserem Ranking zu beeindrucken).

 

Das Eine bedingt das Andere

Dennoch, wenn wir an Umwelt denken, denken wir in erster Linie nicht an Bewegung, Sport oder Sportvereine, die vor allem in Österreich bereits eine lange Tradition haben. Besonders im Alpenraum treffen wir auf perfekte Voraussetzungen, um dem eigenen Bedürfnis nach Bewegung nachzukommen. Sport ist zu einem unverzichtbaren Phänomen der (Freizeit-)Gesellschaft geworden. Sowohl Breiten- als auch Spitzensport bieten jedermann/ jederfrau genügend Möglichkeiten, um Teil dieser Gemeinschaft zu sein. Die Branche „Sport“ hat sich in Österreich zu einem treibenden Wirtschaftsfaktor mit einer Bruttowertschöpfung von EUR 5,6 Mrd. entwickelt – das sind 2,55% der gesamten Bruttowertschöpfung. Tendenz steigend. Hingegen trägt zum Beispiel die Land- und Forstwirtschaft „nur“ 1,71%, die Energie- und Wasserversorgung 2,36% zur österreichischen Wirtschaftsleistung bei. (Österreichische Bundessportorganisation (BSO) 2018). Unabhängig von seiner Marktleistung gehört Sport zu unserem heutigen Lifestyle. Speziell in Tirol scheint es, bis auf wenige Ausnahmen, fast keine Menschen zu geben, die nicht diesem Trend folgen. Vom Skifahren, Schneeschuhwandern, Langlaufen, Snowboarden, Rodeln, Bockerl fahren, Eislaufen, Hiken, Mountainbiken, Klettern und Klettersteiggehen, Laufen, Paragliden bis hin zum Stand up Paddeln kann wohl festgehalten werden, dass das Bundesland DAS Eldorado für Sportbegeisterte ist und alles zu finden ist, was das Sportlerherz begehrt. Ganz nach dem Motto „Wer lifestyle lebt, der liebt den Sport“ und dafür ist die Natur natürlich ein unabdingbares Mittel, um diese Leidenschaft ausleben zu können. Doch wie oft ist in der Sportcommunity der Begriff Umwelt zu hören?

 

Perspektivenwechsel: 360 ° statt Tunnelblick

Die Suchmaschine Google bietet zwar 2 980 000 Ergebnisse zum Thema „Sport und Umwelt Tirol“, aber so gut wie keine die zusammenhängend vorkommen. Die Treffer beziehen sich entweder auf Sport oder auf Umwelt. Da könnte man fast annehmen, dass Umwelt bei den TopTen des Lifestyle’s herausgefallen ist. Wenn wir beide Bereiche, welche so stark miteinander verknüpft sind, betrachten, ist auffallend, dass sich im Zuge dessen die Sprache verändert. Bei Projekten wird von „Green Champions 2.0“, Natursport für Naturschutz, nachhaltiger Sport, „Nachhaltig gewinnen!“ gesprochen. Vielleicht auch, um den Anfordernissen der trendigen, hippen und neuen Lebensweise gerecht zu werden. (Netzwerk Green Events Austria 2018; Deutsches Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit 2018) Mittlerweile können sich sogar Sportvereine auf Nachhaltigkeit mit einem Selbsttest überprüfen lassen und es zeigt, dass es bereits Initiativen gibt, welche beide Komponenten aufgreift. (Sportministerium 2018)

Doch eines lässt sich nicht ausblenden – wir leben in einer Zeit der Konsumgesellschaft, in der auch Sport als Mittel zum Zweck dient. Konsum im Sinne bei der Ausstattung, um auf dem neuesten Stand zu sein. Konsum im Sinne der unverzichtbaren Funktionskleidung. Konsum im Sinne bei der Wahl von der schnellsten An- und Rückfahrt, damit so viel als möglich vom Sport genossen werden kann. Konsum im Sinne des Sporterlebnisses selbst. Wer kennt es nicht? Das Hochgefühl auf dem Gipfel zu stehen, eine schwierige Kletterroute geknackt zu haben, den Steilhang besiegt und den noch anspruchsvolleren Mountaintrail befahren zu haben. Das Adrenalin steigt, ein Glücksrausch überkommt einem, es lädt ein zu einer Wiederholung mit etwas mehr davon bis hin zum Extremen. Ganz ehrlich – wer denkt in dem Moment an die Umwelt? Würde denn heute noch wer wie ein Hermann Buhl mitten in der Nacht mit dem Fahrrad lostreten, um einen noch unbestiegenen Berg zu meistern? (Hermann Buhl 2007) Damals aus der Not heraus, scheint es im Vergleich zu heute ein umweltgerechterer Zugang im Sport gewesen zu sein. Sport als Teil der Konsumbewegung trifft aber immer mehr auf sein Pendant, namens Umwelt, was doch eher mit Enthaltsamkeit, Verzicht, Bescheidenheit oder Mäßigkeit verbunden ist. Das „mehr davon“ heisst hier „nur das, was es wirklich braucht“ und wir (besonders als Konsument*in) stehen vor der Herausforderung eine Brücke zwischen Sport und Umwelt zu schaffen.

 

Hautnah – der Stoff aus dem die (Outdoor-)Träume sind


Können wir uns es noch leisten, nicht zu hinterfragen wo und unter welchen Umständen die Sportkleidung produziert wird? In zunehmendem Maße gehört die Produktion von „Clean Clothes“ in den Unternehmenskulturen eingemahnt/- fordert. Vaude-Chefin, Antje von Dewitz, führt aus, dass in Funktionstextilien eine Menge Chemie steckt wie z.B. perfluorierte Chemikalien (PFC), um Schmutz und Wasser abweisen zu können. Das ist einerseits für die Menschen in den Produktionsländern wie Vietnam, Bangladesh und Nepal eine Gefahr als auch für die Verkäufer und Träger der Kleidung bedenklich. (Daniela Schröder 2017; Die Welt 2016) In der Branche ein heikles Thema, über das nicht so gern gesprochen wird. Unterm Strich tragen wir teilweise also schadstoffbelastete, aber hochwertige Kleidung, die zwar für die Umwelt Gift sind, aber uns in unseren sportlichen Höchstleistungen unterstützen soll – interessant. Rainhard Fendrich’s Kassenschlager „Es lebe der Sport“ nimmt an dieser Stelle leider einen tragischen Verlauf, der auch nicht mit dem Schmetterlingseffekt zu entschuldigen ist, da hier ein offensichtlicher Schneeballeffekt ins Rollen kommt, dessen Auswirkungen wir zwar nicht in geballter Wucht vor Augen haben, aber trotzdem existent ist. Bleibt somit nur mehr noch zur Auswahl sich mit der Umwelt im Sport auseinander zu setzen.

 

Mobilität


Gleichzeitig stehen wir beim Thema Mobilität vor dem gleichen Dilemma. In Österreich steigt in der Bevölkerung das Problembewusstsein für das steigende Verkehrsaufkommen (23%) und den damit verbundenen Treibhauseffekt, aber in wie weit das Thema Mobilität im Sportbereich bereits Einzug gehalten hat, ist offen. (Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus 2018) Die Anreise mit Öffentlichen Verkehrsmitteln ist oft mit mehr Zeit und Kosten* verbunden, manchmal unbequem und manchmal lassen sich verlassene Landschaftsbereiche wie für eine einsame Skitour (noch) nicht mit Öffentlichen Verbindungen erreichen. Was ist die Alternative bzw. gibt es überhaupt eine umweltgerechte Alternative? Verzicht oder doch nicht?
*wobei beim individual Transport selten Kostenwahrheit (sprich amtliches km-Geld) herrscht.

In Tirol gibt es Outdoor Sportarten wie Sand am Meer und eines muss uns bewusst sein, dass wir dafür die Natur benötigen –(ver-)brauchen-, um überhaupt unsere Leidenschaft ausüben zu können. Die Erschließung neuer Gebiete sind Dauerthema, da das Land natürlich auch großes Interesse hat seinen Tourismus als zweite stärkste Wirtschaftskraft (13,9% der Tiroler Bruttowertschöpfung, 2014) zu optimieren. (Wirtschaftskammer Tirol 2018) Hierzu gab es letztes Jahr einen Diskussionsabend in Söll mit Vertretern aus den unterschiedlichen Bereichen zum Thema Sport, Berg und Umwelt.
Für Ex-Minister Andrä Rupprechter war "Schützen und Nützen der einzigartigen Tiroler Kulturlandschaft" angesagt. Zu Gast war auch Gerhard Berger, der meinte: "Bei allem Verständnis für Industrie, Tourismus und Wirtschaft birgt eine erschließende und bauliche Komplettausreizung unserer Umwelt auch seine Gefahren, etwas weniger täte hier mancherorts ganz gut". (Bezirklsblätter 2017) Es erinnert daran, dass wir am Beginn eines erforderlichen Umdenkens stehen.

Die Natur braucht uns Menschen nicht. Ob der Habicht oder der Kaiser Max Klettersteig zum 20. Mal an einem Tag gemacht erklommen wird, ist dem Berg ziemlich einerlei. Die Umwelt muss nicht „sportlicher“ werden, um uns mehr bieten zu können. Aber wenn wir die Rechnung ohne die Wirtin machen, berauben wir uns der Natur und uns selbst. Jede/r leistet einen Beitrag, ob in diese oder jene Richtung. Abschließend stellt sich die Frage, ob sich die Natur an uns anpassen muss/kann oder ob wir auch im Sport bereit sind uns anzupassen mit allem was dazu gehört.

 

 

 

Bibliographie

Bezirksblätter (2017): Tirols Sport und Umwelt.

Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus (2018): So denken die ÖsterreicherInnen über Umwelt und Lebensqualität. Mikrozensus Umwelt 2015. With assistance of Statistik Austria. Online: https://www.bmnt.gv.at/umwelt/nachhaltigkeit/green_economy/Mikrozensus.html.

Daniela Schröder (2017): Außer Konkurrenz. In Brand Ein. Das Wirtschaftsmagazin 11/17, 2017 (Verklemm dich nicht!).

Deutsches Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (2018): Nachhaltiger Sport. Online: https://www.bmub.bund.de/themen/wirtschaft-produkte-ressourcen-tourismus/tourismus-sport/nachhaltiger-sport/.

Die Welt (2016): So stark belastet Outdoor-Kleidung die Umwelt, 2016. Online: https://www.welt.de/wirtschaft/article151328187/So-stark-belastet-Outdoor-Kleidung-die-Umwelt.html.

Duden (2018): Definition Umwelt. Online: https://www.duden.de/rechtschreibung/Umwelt.

Hermann Buhl (2007): Achttausend Achttausend drüber und drunter: Mit den Tagebüchern von Nanga Parbat, Broad Peak und Chogolisa: Piper Taschenbuch Verlag.

Netzwerk Green Events Austria (2018): Nachhaltig Gewinnen. Online: https://nachhaltiggewinnen.at/.

Österreichische Bundessportorganisation (BSO) (2018): Sport in Österreich. Online: http://www.bso.or.at/de/sport-in-oesterreich-und-europa/sport-in-oesterreich/.

Sportministerium (2018): Selbststest für Sportvereine. Online at http://www.nachhaltiger-sport.at/selbst-test/.

Wirtschaftskammer Tirol (2018): Tiroler Wirtschaft in Zahlen 2017/2018.

Zur Autorin

Mag.a Sonja Karbon, MA

Bildungswissenschafterin und Autorin beschäftigt sich mit den aktuellen Entwicklungen in der Gesellschaft und den globalen Zusammenhängen zu den Themen Gesundheit und Umwelt. Ihr besonderes Interesse liegt hierbei auf ganzheitliche und nachhaltige Lebensweisen, welche im Einklang mit der Natur zu bringen sind.

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